Geburt und Tod bilden nicht nur den Rahmen von Existenz und grenzen das Sein vom Nicht-Sein ab, sondern werden zu Unrecht in die dunkle Schublade der Tabuzone gesteckt. Darüber zu reden, tut weh, ist meist unschön und emotional aufgeladen.

Geburt und Tod als Anfang und Ende des Lebens liegen näher beieinander als es scheint. Doch beide Ereignisse haben eines ganz besonder gemeinsam: sie sind ein gesellschaftliches Tabu.
Die Art und Weise, wie wir mit dem Tod umgehen, sagt etwas darüber aus, wie wir zur Geburt eines Menschen stehen. Beide Ereignisse erzeugen in erster Linie Angst in uns. "Warum?" frage ich. Ist es das Unvorhersehbare, Unkalkulierbare und Unbeherrschbare, das beide mit sich bringen? Ist es etwas, wie "Schicksal", das uns daran stört?
So sehr wir auch wollen, wir können sowohl die Geburt als auch den Tod eines Menschen nicht steuern. Und wenn wir es doch tun, wenn wir doch in diese natürlichen und unantastbaren Vorgänge eingreifen, geraten sie erst Recht außer Kontrolle. Sie entziehen sich alsdann dem Individuum, dem sie primär widerfahren, nämlich dem Sterbenden so wie der Gebärenden und dem Zugebärenden.
Wir entmündigen und bevormunden die Personen, denen diese Ereignisse passieren. Als Erinnerung: Diese Prozesse sind höchst natürlich.

Nicht nur das Natürliche an diesen Prozessen ist das Schützenswerte, sondern auch das Würdevolle dieses Momentes. Geburt und Tod stecken voller Heiligkeit und Würde. Dies wahrzunehmen obliegt in erster Linie jenen Personen, denen es passiert. Ein Eingriff in diese Prozesse bedeutet, diese Personen ihrer reinen und natürlichen Erfahrung der Ereignisse zu berauben, was meiner Meinung nach höchst unethisch ist und die Würde des Menschen abwertet.
Das hat nichts damit zu tun, jemandem Hilfe zu verweigern, der gerade in dem Prozess der Geburt oder des Todes steckt. Mir geht es vor allem um die Fälle, in denen eigenmächtig von außen entschieden wird, dass es so oder so besser sei für den gebärende oder den sterbenden Menschen.
Denn durch solche vermeintlich gut gemeinten Eingriffe entstehen Traumata. Man erlebt bspw. eine Geburt und aufgrund äußerer Gründe der Angst von Beteiligten werden gewisse Maßnahmen entschieden, die einen komplett aus der Erfahrung der Geburt herausreißen. Am Ende stellt man fest, dass man gar nicht selbst geboren hat, sondern entbunden wurde. Man wurde von der Protagonistin zur Statistin degradiert, weil bspw. ein Arzt/ eine Ärztin oder eine Hebamme nicht in der Lage war, seine/ ihre Ängste vom eigentlichen Geschehen abzugrenzen.

Was bleibt, ist Scham, Reue und Trauer. Diese Gefühle isolieren, machen einsam und stumm. Das Tabu ist geboren.
Genauso verhält es sich mit dem Tod. Jemand stirbt. Genauso wie eine Geburt, kann das Sterben lange dauern. Eine angehörige Person hat ihre Gefühle nicht "unter Kontrolle" und möchte einen Schlussstrich unter das mutmaßliche Leiden ziehen, sodass lebensverkürzende Maßnahmen eingeleitet oder betäubende Medikamente verabreicht werden. Es bleibt ein unsauberer und unnatürlicher Abschied. Das Geschehene wirkt lange nach und bleibt tief in der Tabuschublade verschlossen.
Worauf ich mit dieser Unmutsrede hinaus will ist, dass wir durch unsere Unfähigkeit, den Tod als berechtigt und natürlich zu betrachten, eingeschränkt sind, zu uns selbst zu finden und uns wahrhaftigt zu spüren. Es hindert uns daran, eine echte Beziehung zum Leben und gleichsam zum Prozess der Geburt zu entwickeln.

Wir können die Geburt nur furchtlos ehren, wenn wir auch den Tod wertschätzend willkommen heißen können. Ich möchte den Schmerz und die Trauer, die der Tod mit sich bringt, nicht bagatellisieren oder gar negieren. Ich möchte nur dazu ermuntern, sich mit den eigenen Gefühlen bis ins kleinste Detail auseianderzusetzen, um zu erfahren, was mir diese Angst bereitet, die mich in meiner Freiheit einschränkt, Geburt als etwas Unantastbares, Kostbares und ganz und gar Unbeherrschbares anzusehen.
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