Mir drohte ein Kaiserschnitt. Ich wollte eine Hausgeburt mit der Hebamme meines Vertrauens. Was ich bekam? Eine Einleitung. Das Ergebnis war ein scheinbar gesundes Kind und ein Trauma.

Diese - meine - Geschichte ist sehr intim. Dennoch möchte ich sie teilen, weil ich weiß, dass es viele Frauen auf dem Weg durch die Schwangerschaft hin zur Geburt nicht leicht haben. Ihr seid nicht allein. Ok, das wisst ihr. Aber es geht auch anders als es Euch die meisten vormachen. Wisst ihr das auch? Selbst wenn Ihr es wisst, traut Ihr es Euch zu, es anders zu machen als die vielen anderen? Um den Mut zu fassen, zu sich selbst und den eigenen Bedürfnissen zu stehen, helfen manchmal Geschichten, die Mut machen, die Perspektiven eröffnen und eine Gesprächsgrundlage schaffen. Genau dafür möchte ich meine Geschichte teilen und ich hoffe, sie inspiriert Euch.
Schwangerschaft Nr. 1
Ich wurde im Sommer 2018 schwanger. Ohne es zu wissen, stiegen wir samt unserer verpackten Räder und Packtaschen in den Flieger nach Chengdu (China), um zum ersten Mal in unserer gemeinsamen Radreise-Karriere auf über 4.000m Fahrrad zu fahren. Schon fünf Jahre waren wir gemeinsam jeden Sommer auf unseren bepackten Rädern durch verschiedenste Länder Europas geradelt. 2018 sollte das erste Höhenexperiment stattfinden. Es waren vier sehr intensive Wochen. Wir durchlebten im warsten Sinne des Wortes Höhen und Tiefen, so auch unsere Körper.
Den gesamten Urlaub hindurch wusste ich nicht, dass ich schwanger bin. Meine Periode blieb zwischendrin zwar aus, aber ich schob es auf die außergewöhnlichen Umstände. Wieder zurück zuhause blieb abermals meine Periode aus, sodass ich den Braten allmählich zu riechen wagte. Noch bevor ich den Schwangerschaftstest gemacht habe, überkam mich ein gänsehautartiger Freudenrausch. Ich spürte, die Kraft meines Körpers auf eine ganz besondere Weise. Als ich dann tatsächlich einen positiven Schwangerschaftstest in meinen Händen hielt, kam auch mein Kopf dem Fühlen hinterher. Ich spürte nicht nur, wie stark ich bin, ich realisierte es.
Bis dato hatte ich keine Ahnung, wie eine Schwangerschaft so abläuft, geschweige denn, wie ICH sie durchlaufen möchte. Ich tat also genau das, was gefühlt alle Erstschwangeren als Erstes tun: ich wendete mich an die Gynäkologin meines Vertrauens.

Dieses Vertrauen wurde bedauerlicherweise ziemlich frühzeitig geschädigt, da ich bei jeder Untersuchung das Gefühl hatte, nicht mehr als erwarchsene Frau oder als selbstbestimmter Mensch angesehen zu werden, sondern als durch meine scheinbare Unwissenheit (weil Erstschwangere) zu bevormundende Schutzbedürftige, die vor sich selbst geschützt werden müsse, um bloß keinen Fehler zu machen.
Da ich mir diesen Schuh sehr schnell nicht mehr anziehen lassen wollte, suchte und fand ich zum Glück eine Hbamme, die mir komplett neue Wege der Schwangerschaft eröffnete. Meine liebe Inka übernahm für die ganze restliche Schwangerschaft die Vorsorgeuntersuchungen bei mir zuhause. Das Einzige, das mir dadurch abhanden ging, waren die Ultraschalluntersuchungen. Obwohl ich zum ersten großen Ultraschall noch einmal zu meiner Gynäkologin ging, wurde meine Entscheidung die weiterführende Schwangerschaftsvorsorge von meiner Hebamme betreuen zu lassen, aufs Äußerste kritisiert. So sehr sogar, dass es hieß, ich gefährde mein Kind und würde unverantwortlich handeln. Diese Intoleranz meiner selbstbestimmten Entscheidung gegenüber war für mich das beste Zeichen, entgegen der Meinung meiner Gynäkologin, genau das Richtige zu tun, nämlich meinem Gefühl zu folgen.
Die gesamte Schwangerschaft verlief - bis auf Wassereinlagerungen - völlig unauffällig. Ich trieb sehr ambitioniert Sport, weil es mir bzgl. der Wassereinlagerungen und auch in Bezug auf meine Psyche sehr gut tat. In meinem Fitnessstudio wurde ich zum Ende der Schwangerschaft schon besorgt gefragt, was sie tun sollen, wenn mir mitten im Studio die Fruchtblase platzen sollte. Darauf antwortete ich ganz entspannt: "Nichts. Die Einzige, die etwas tun muss, bin ich."
Ich wusste demnach intuitiv, dass es in meiner Verantwortung liegt, Entscheidungen für mich und mein Kind zu treffen. Eine wichtige Person, die ich hier bisher ausgeklammert habe, ist natürlich mein damals Partner und heutiger Ehemann. Er war ebenso an den Entscheidungsprozessen und allem, was dazu gehörte, beteiligt. Jedoch wusste ich trotzdem, dass es in erster Linie an mir war, zu spüren, was gut und richtig für mich/ für uns war. Und mein Partner schenkte mir das Wertvollste: sowohl sein Vertrauen in mein Gefühl als auch den ehrlichen Umgang mit seinen Bedänken und Ängsten.
Die Geburt Nr. 1
Wir fühlten uns sehr wohl mit unserer vorsorgenden Hebamme. Durch die Gespräche mit ihr wurden wir immer mehr in dem Bedürfnis nach einer Hausgeburt gestärkt. Sie empfahl uns dann eine Hausgeburtshebamme (es war tatsächlich die Einzige in unserem Umkreis). Letztlich war zum ET alles geklärt. Wir fühlten uns wohl und sicher mit unserer Entscheidung und gingen voll und ganz mit unseren Gefühlen und Erwartungen all in für diese Hausgeburt.
Ein vermeintlicher Fehler. Wie heißt es so schön? Es kommt immer anders als man denkt.
So war es. Ich ging weit über den errechneten Entbindungstermin. Am 16ten Tag nach ET verkündete uns unsere Hausgeburtshebamme, dass sie uns in die Obhut des Krankenhauses übergeben muss. Wir solle morgen zur Einleitung ins Krankenhaus gehen. Das war ein Schock. Obwohl wir ihre Beweggründe verstanden (Ab dem 14ten Tag nach ET war sie mit uns nicht mehr versichert. D.h. wäre dann während der Hausgeburt unter ihrer Obhut etwas passiert, wäre sie dafür haftbar gemacht worden.) und ihr aufgrund ihrer Entscheidung keine Vorwürfe machen konnten, fühlten wir uns wie im Stich gelassen und ins offene Messer geschickt.
Immer noch taub von der Hiobsbotschaft begaben wir uns treudoof und ohne Plan von unseren Möglichkeiten ins Krankenhaus. Warum? Tja, wir hatten Angst. Wenn uns eine erfahrene Hausgeburtshebamme aufgrund ihrer Ängste ans Krankenhaus verweist, musstenen wir uns doch tatsächlich in einer brenzligen Lage befinden. Oder etwa nicht?
Das Hinterfragen blieb einfach aus. Unsere Gefühle hatten dafür keine Zeit, keine Kapazitäten frei. Wir waren im Überlebensmodus.
Im Krankenhaus wurden wir dann mit aller Wucht nochmals gegen die Wand gefahren. Die zuständigen Ärzte waren aufgrund des weit überschrittenen Termins so empört, dass wir regelrecht zu einem Kaiserschnitt genötigt wurden.
Das rüttelte uns wach. Wir kamen ansatzweise zurück in unsere Selbstbestimmtheit. Den Kaiserschnitt lehnten wir konsequent ab, es sei denn, es läge eine kindliche Indikation vor (also dass es dem Kind nachweislich nicht mehr gut ginge). So wurde ich natürlich prompt zum Ultraschall geschickt. Dort wurde nichts Ungewöhnliches bzw. Besorgniserregendes festgestellt, außer ein paar Verkalkungen der Plazenta, was bei dem Schwangerschaftsstadium absolut normal und nicht problematisch ist.
Der für uns gute und für die Ärzte ernüchternde Befund gab uns schließlich das Recht, auf eine Einleitung zu bestehen. Die bekam ich dann auch. Ich wurde mit Cytotec eingeleitet. Wer den Skandal um dieses Medikament nicht mitbekommen hat, muss wissen, dass es sich hierbei um ein Einleitungsmittel im Off Label Use handelt, d.h. dieses Medikament ist eigentlich bei Magenproblemen zu verabreichen. Es wurde irgendwann festgestellt, dass es darüber hinaus Wehen einleitet, weshalb es seither als günstige Alternative in der Geburtshilfe Verwendung findet.
Diese sehr kleine Pille lässt sich nur schwer dosieren und birgt außerdem ein großes Risiko. Im schlimmsten Fall kann es zu einer Uterusruptur kommen, die den Tod von Mutter und Kind verursachen würde.
Ich stimmte dennoch zu, weil mir der Arzt versicherte, dass er seine eigene Frau genau gleich einleiten würde und ich die Folgen eines Kaiserschnittes mehr fürchtete.
Ab diesem Moment, als feststand, was mit mir passieren würde, fühlte ich mich komplett entmächtigt. Ich habe meine Verantwortung abgegeben und war ab sofort machtlos. Mein Fokus während der Geburt war ausschließlich nach außen gerichtet. Ich wusste nicht mehr, was richtig oder falsch für mich und mein Kind war. Letztendlich endete die Geburt mit Wehensturm, PDA, Wehentropf, Kristellagriff und Dammschnitt. Unser Kind wurde direkt vom Kreissaalbett nach dem Herauszerren eilig weggetragen, um abgesaugt zu werden. Das Fruchtwasser war grün, was kein Wunder war durch den Stress der Einleitung und der Heftigkeit des Wehensturms. Mein Partner war nur noch ein Schatten seiner selbst, hilflos und entkräftet ob der Geschehnisse.
Und ich? Ich war nur noch Fleisch, das genäht wurde. Im Anschluss an die Geburt wurde uns eine lange Kuschelzeit gegönnt. Es zählte selbstverständlich nur das Wunder dieses Neugeborenen und unseres ersten gemeinsamen Augenblicks.

Lange Zeit danach, weit nach dem Wochenbett (als die große Endorphinwelle in meinem Körper abebbte) fühlte ich großen Schmerz, ein übermenschliches schlechtes Gewissen meinem Kind gegenüber, Einsamkeit und Ohnmacht. Ich hatte ein Kind geboren und ein Trauma for free dazugewonnen.
Wozu es mich gebracht hat, könnt Ihr im nächsten Blogartikel Teil 2 erfahren.
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