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Mein Weg von der traumatischen Einleitungsgeburt zur Alleingeburt [Teil 2]

Jane_Töllner

Es war eine 180° Kehrtwende. Ein Nein zum System, dem ich mein Trauma verdankte. Ob ich damit gut gefahren bin? Jedenfalls nicht mehr gegen die Wand.



Die 2te Schwangerschaft


Im Februar 2021 wurde ich auf dringenden Wunsch wieder schwanger. Wir wollten unbedingt ein zweites Kind und verhüteten ein gutes halbes Jahr nicht mehr. Allerdings stillte ich zu diesem Zeitpunkt meinen Sohn noch sehr viel. Umso größer war dann die Freude, als der Schwangerschaftstest positiv war.


Ich rannte zu Beginn meiner Schwangerschaft nicht gleich zur Gynäkologin. Zum Einen, weil wir in der Zwischenzeit ans andere Ende Deutschlands gezogen waren und zum Anderen, weil ich dieses Mal meine Schwangerschaft so richtig genißen wollte, ohne Druck von außen. Dazu gehörte für mich, dass ich mich voll und ganz auf meine Bedürfnisse und Gefühle konzentrierte, um eine selbstbestimmte Schwangerschaft zu haben, in der mir weder Vorwürfe noch Bevormundungen entgegengebracht werden sollten. Klar, kann man diese von seinem direkten Umfeld nicht ausschließen. Aber meines Erachtens nach haben Familie und Freunde noch eher einen Grund dazu, einen auf ihre eigenen Bedänken hinzuweisen, als eine außenstehende Person, da sie einen gut kennen und lieben.


Jedenfalls bemühte ich mich nicht um eine gynäkologische bzw. ärztliche Vorsorge, sondern direkt um eine Hebamme, die zu mir passte. Die Suche entpupte sich als warer Marathon, obwohl die Dichte an selbständigen Hebammen in Bayern vergleichbar gut ist. Ich war bereit, Abstriche zu machen. Die vorsorgende Hebamme musste nicht meiner ersten Hebamme Inka das Wasser reichen, sie musste aber verstehen und tolerieren, was ich wollte und nicht wollte.


Ich fand so jemanden. Ute machte zwar keine Hausbesuche, sondern untersuchte in ihrer Praxis, aber sie gab mir nie ein schlechtes Gefühl, wenn ich mal eine Untersuchung ablehnte. Sie spürte, dass ich in mir sicher war und für mich wusste, was ich brauchte. Das erleichterte ihr die Arbeit und mir gab es umso mehr das Gefühl, eine selbstbestimmte Schwangerschaft zu leben.


Irgendwann erzählte Ute mir beiläufig von einem Gynäkologen, der ganz anders sei als die Meisten, die sie kennengelernt habe. Er praktizierte mit Hebammen im Team und auf Augenhöhe, sehe sie weder als Konkurrenz noch als Untergebene und hielt bei wichtigen Entscheidungen sogar Rücksprache mit Hebammenkolleginnen. Sie hatte mir diesen Mann so interessant gemacht, dass ich beschloss, eine einzige Ultraschalluntersuchung in meiner Schwangerschaft von ihm machen zu lassen.


Was soll ich sagen? Er machte den ersten großen Schall in der 20ten Woche und ich war begeistert. Er begegnete mir mit Respekt, sah mich voller Wohlwollen an und stand obendrein noch vollkommen auf meiner Seite, als ich ihm erzählte, dass dies der einzige Arztkontakt in meiner Schwangerschaft ist und sein wird. Dieser Arzt hat einen Teil in mir geheilt. Er hat mir den Sinn am Vertrauen in Ärzte zurückgegeben. Ich hatte nie das Vertrauen in die Medizin oder den Glauben an die Institution Krankenhaus verloren, nur das Vertrauen in Menschen, die über mich aufgrund eines Befunds und ihrer eigenen Ängste Entscheidungen treffen wollen.


Die komplette Schwangerschaft verlief bilderbuchmäßig und sehr ähnlich der ersten, mit dem einzigen Unterschied, dass mein Bauch deutlich größer wurde als in der ersten Schwangerschaft.


Die 2te Geburt


Ute begleitet auch Hausgeburten. Mein Ehemann und ich hegten nach wie vor den großen Wunsch, das Kind zuhause auf die Welt zu bringen. So kam Ute zwei Wochen vor dem errechneten Geburtstermin zu uns nach Hause, um die Hausgeburt zu besprechen und Vorbereitungen zu treffen. Sie hatte bspw. schon einen Geburtspool im Kofferraum, falls wir einen wollten. Wir hingegen hatten uns schon einige Zeit mental darauf eingestellt, ihr zu sagen, dass wir eine Alleingeburt planen. Es erschien uns nur schöner, dass bei uns zuhause zu besprechen, wo wir in unserem gewohnten Umfeld waren und sie einen noch besseren Eindruck von uns bekommen konnte, als dieses Gespräch mal eben nebenbei in ihrer Praxisanzuschneiden. Es ergaben sich dann tatsächlich noch ganz andere und sehr schöne Gespräche, denn auch Ute war bei uns anders als in ihrer Praxis. Unsere Verkündung nahm sie erstaunlich gelassen hin. Oft hörten wir bei ihr eine große Sympathie gegenüber Verlegungen ins Krankenhaus heraus, was bei den von ihr begleiteten Hausgeburten wohl öfter vorkam. Das schreckte uns ab und sie merkte uns an, wie sehr wir als Paar zusammen standen und dass wir Ahnung hatten, von dem, was wir vor hatten.





In der Tat befasste ich mich seit der Geburt meines Sohnes mit keinem anderen Thema mehr als mit "Schwangerschaft und Geburt". Es war zu meinem Lebensmittelpunkt geworden, zu verstehen, was mit mir im Krankenhaus passiert ist, wie dort die Mechanismen ineinander greifen und wie das System funktioniert. Ich wollte wissen, was Geburt wirklich ist und was es alles sein kann. Um meine klinischen Kenntnisse noch zu vertiefen und zu verifizieren, habe ich außerdem eine zweijährige Ausbildung am Klinikum Nürnberg zur Ethikberaterin im Gesundheitswesen absolviert.

Nebenher verschlang ich alles, was ich zum Thema "Alleingeburt" in die Finger bekam. Jede Literatur, jeden Geburtsbericht, jegliches Videomaterial und jeden Erfahrungsbericht. Ich wollte bei meiner zweiten Geburt nur bei mir bleiben, ganz und gar abtauchen in den Rausch der Wehen, spüren wie sie kommen und gehen und wertschätzen, was sie mit sich bringen.


Dieses von mir lange Zeit manifestierte und vorbereitete Geburtserlebnis einer Alleingeburt in meinen vier Wänden und in Frieden wiederfuhr mir dann auch am 6. Dezember 2021. In der Nacht um 2 Uhr riss meine Fruchtblase. Ich nahm es zunächst als starken Harndrang wahr und realisierte beim Aufstehen, dass es aus mir herausfloss. Ich weckte meinen Mann, um ihm zu sagen, dass es losgeht und bat ihn, mir bei ein paar Vorbereitungen zu helfen. Unser Sohn schlief selig weiter. Anschließend gingen wir wieder ins Bett. Ab 5 Uhr kamen erste regelmäßige Wehen, die sich noch wie leichte Regelschmerzen anfühlten. Ich konnte sie allerings im Bett nicht so gut aushalten, also stand ich auf, machte mir meine Lieblingsmusik an und wippte auf unserem Gymnastikball. Um 7 Uhr wurde mein Sohn wach. Wir bereiteten ihn darauf vor, dass sein Geschwisterkind sich auf den Weg gemacht hat und was heute wahrscheinlich alles passiert. Er brauchte dann viel Aufmerksamkeit und Begleitung von meinem Mann, was für mich komplett ok war. Darauf hatte ich mich eingestellt. Es war meine Alleingeburt. Ich wollte allein sein mit den Wehen. Denn ich weiß, so kann ich einfach gut mit Schmerz umgehen. Ich war oft nur neben mir, seitdem die Wehen ab 11 Uhr Fahrt aufgenommen hatten. Zwischenseitlich fielen mir oft die Augen zu und ich verbrachte fast die komplette Zeit im Vierfüßler in unserem Badezimmer, welches dann mein Geburtsort werden sollte. Irgendwann kam jedoch der erste Frust. Dieser Punkt, an dem so viele Frauen unter der Geburt sagen, sie wollen nicht mehr oder sie können nicht mehr. Ab diesem Punkt wusste ich zwar, dass es ein gutes Zeichen war, weil es meist den tiefen Eintritt ins Becken der Frau kennzeichnet, aber ich spürte, ich brauchte nun Unterstützung. Mein Mann rief, wie vorher vereinbart, eine sehr gute Freundin der Familie an, die unseren Sohn zum Spielen mit ihrem Sohn abholte. Der Moment, als sie zu mir ins Bad kam, mir auf die Stirn küsste und sagte, sie nehme nun mein Kind mit und sie sei stolz auf mich, gab mir neue Kraft, die ich dann brauchen konnte.

Als mein Mann und ich dann allein waren, begannen die Presswehen. Es war intensiv und kraftvoll, sehr beschwerlich und ich spürte, dass ich alles geben musste, was ich hatte, denn das Kind in mir wand sich hin und her und hatte es schwer, voran zu kommen. Nach einer Stunde pressen, kam sie auf die Welt. Ich habe unsere Tochter angelehnt an die Waschmaschine und die Beine gegen die Badewanne stemmend auf die Welt geboren.


Es war das kraftvollste und erhabenste Erlebnis meines Lebens. Meine selbstbestimmte Schwangerschaft wurde durch eine selbstbestimmte Geburt gekrönt. Mir ging es gut, so gut, dass ich gar nicht merkte, dass ich gerissen war.

Meine Tochte atmete nicht gleich, schrie nicht, bewegte sich nicht. Sie lag schwer und schlapp, wie eine Puppe in meinen Armen. Ich wusste, dass solang die Nabelschnur uns verbindet, sie mit ausreichend Sauerstoff versorgt sein würde. Also gab ich ihr zwei Minuten. Als sie dann immer noch keine Regung zeigte, setzte mein Mann einen Notruf ab. Die Einsatzkräfte machten sich sofort auf den Weg. Noch während des Telefonats mit der Einsatzleitstelle kam unsere Tochter im Leben an. Sie hatte sich noch zwei Minuten länger genommen. Sie hat sich als 4.995kg schweres Sterngucker-Kind auf die Welt geschleppt, was für sie ebenso anstrengend war, wie für mich. Dass sie ihre Zeit brauchte, um anzukommen, nennt man "Anpassungsschwierigkeiten" von Neugeborenen. Diese können problematisch werden, wenn direkt nach Geburt abgenabelt wird, so wie es immer noch ganz häufig in Krankenhäusern passiert. Meinem Sohn bspw. wurde das Auspulsieren der Nabelschnur nicht gegönnt.


Mein Mann gab die Information, dass sie jetzt atmet und wach ist, sogleich weiter, aber es war zu spät. Innerhalb von sieben Minuten hatten wir einen Krankenwagen und zwei Helikopter im Dorf stehen, dessen Einsatzkräfte sich von dem Wohlergehen unseres Kindes vergewissern wollten. Wir waren dankbar über die Zuverlässigkeit und Schnelligkeit der Einsatzleute. Es ist ein Seegen, zu wissen, wie gut und schnell man in Deutschland Hilfe bekommt, wenn man sie braucht.



Ob ich nochmal eine Alleingeburt machen würde? Ja, das würde ich. Denn ich möchte eine Geburt nicht zum Notfall erklären. Geburt ist kein Notfall per se. Sie kann zu einem Werden, aber das kann sie auch im Krankenhaus. Geburt ist nicht vorhersehbar. Sie passiert so, wie es für das Kind und die Mutter der beste Weg ist, wenn man Geburt einfach zulässt.






 
 
 

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